„Im interessantesten Berlin-Buch der vergangenen Jahre erzählt Wolfgang Müller von Kunst und Kneipen im guten, alten Westberlin. Und von den Nächten und Tagen der „Tödlichen Doris“.“
„Subkultur Westberlin 1979-1989“
West-Berlin gibt es nicht mehr. Einen Nachruf finden Sie hier:
„Promis, Trümmertunten und Zickereien“
http://www.sueddeutsche.de/kultur/buch-subkultur-westberlin-promis-truemmertunten-und-zickereien-1.1564544
Berlin ist eine Reise wert? Nicht unbedingt. Wer wie ich einen beruflichen Grund hat Berlin zu bereisen, freut sich über die vielen Zug-Verbindungen von Hamburg nach Berlin.
Denn offensichtlich arbeiten nicht wenige Hamburger in Berlin. Wohnen wollen diese Hamburger dort aber nicht.
Ob ich dort wohnen will?
Nur wenn ich dafür gut bezahlt werde.
Ankunft Berlin Hauptbahnhof. Ein Bahnhof groß wie ein Flughafen. Da staunt der Hamburger. Alles sauber und neu. Aber wo sind die Menschen?
In Hamburg ist der Hauptbahnhof ein Treffpunkt. Dort ist es immer voll. Egal wie spät es ist. Es wird gerannt, gedrängelt, gekotzt, geraucht, getrunken, gegessen und gelacht. Wir Hamburger kaufen dort Medikamente, Blumen, Zigaretten, Drogen und alles was wir so brauchen. Wir stören uns nicht am Dreck und am Lärm. So ist die Stadt. Unsere Stadt. Die Bahnpolizei und die privaten Sicherheitsdienste schieben Wache. Zu tun gibt es immer mal was. Über kleine Vergehen wird hinweg gesehen. Wir Hamburger wollen das so. Wir verraten auch keine Raucher, Junkies, Trinker oder Obdachlose. Denn auch Menschen mit Marotten gehören zur Stadt.
Am Berliner Flughafen-Bahnhof ist das eben anders. Menschen sind nicht so wichtig. Monumente des Ruhms sind wichtiger. Um das Monument des Ruhms vor den Menschen zu schützen, ist eine ganze Polizei Einheit vor dem Bahnhof platziert. Sonst hält sich niemand freiwillig hier auf. Menschen werden mit dem Müll weg gefegt.
Die Straßen in Berlin sind sehr breit. Auffallend breit. Das ist gewollt. Es sind Monumente des Ruhms. Panzer können die Straßen Berlins benutzen. So ist es wohl auch geplant.
In Hamburg sind die Straßen voll. In Berlin sind sie es nicht. Es gibt wohl z.Z. nicht genug Panzer in Berlin, welche für Auslastung sorgen könnten. Aber wenn es endlich genügend Panzer gibt, dann ist Berlin darauf vorbereitet. Hamburg allerdings nicht. Panzer sind nicht so angesagt bei Hamburgern.
Radwege gibt es in Berlin nicht. Während meines 3 tägigen Aufenthalts habe ich auch keine Radfahrer sehen können. Berlin ist eben nicht Amsterdam. Auch nicht Kopenhagen oder Hamburg.
Radfahrer passen nicht zu Panzern. Zu Panzern passen die schwarzen Luxus-Karossen der Politiker. Davon sind einige unterwegs. Luxus-Karossen und Panzer sind ebenfalls Monumente des Ruhms.
Zum Termin nehme ich den Bus. „Moin! Bitte einmal zum Axel-Springer-Ring. Wie viele Stationen sind das?“
Frage ich den Busfahrer. Er, ein Mann nur wenig älter als ich lacht mich an und sagt:
„Tu doch nicht so. Du fährst doch immer bei mir. Du weißt doch genau wo das ist!“
Das auch noch. Seit wann sehe ich aus wie eine Berlinerin?!
„Nein, wirklich nicht. Ich komme aus Hamburg. Bin gestern Abend erst angekommen und fahre morgen wieder heim.
Ich war noch nie beim Axel-Springer in Berlin! Sag mir Bescheid wann ich aussteigen muss. Am besten ich setze mich gleich hier neben Dich. Damit Du mich sehen kannst.“
Es passiert mir dauernd, dass Leute glauben mich zu kennen. Das könnte an den beknackten Werbe-Spots liegen, welche ich ab und zu mal machen musste. Das ist zwar schon lange her… Aber irgendwie ist das bei den Leuten im Unterbewusstsein gelandet. Es ärgert mich, dass ich überhaupt mal so was gemacht habe.
„Du kannst mit mir zurück fahren. Dort drüben ist die Bushaltestelle. Falls ich dann gerade fahre.“
Sagt der Busfahrer noch.
„Dann bis später!“ rufe ich ihm zu. Denn ich muss rennen. Ich bin fast zu spät. Weil ich verpennt habe.
In das Verlags-Gebäude zu gelangen ist gar nicht so einfach. Sehr viele Scheineingänge. Aber nur ein echter Eingang. Ohne Anmeldung schafft es keiner da rein. Bevor ich in die Redaktion darf, wird der Inhalt meiner Taschen geröngt und ich muss durch einen Metalldetektor. Genau so einen Bogen kenne ich aus dem Knast. Dort war ich auch schon zu Besuch. Heute besuche ich allerdings nur eine Redaktion.
Meine Gastgeberin erscheint. Sie gibt mir weitere Handlungsanweisungen, damit ich sie nach oben begleiten darf.
Oben angekommen bekomme ich eine Cola und ein Gespräch. Sie ist sehr nett und geduldig. Sie sieht wirklich super schön aus. Fast wie ein Alien. Zähne so weiß wie ein frisch gestrichener Lattenzaun. Haare in grau gefärbt. Und sie ist riesig groß. Ich finde sie ganz toll. Sie mich nicht.
Der Busfahrer und ich haben uns verpasst.
Am Abend bin ich auf einem Musiker-Stammtisch eingeladen. Die Kneipe ist eine Oase in dieser Stadt. Klein, schmuddelig und preiswert. So wie es West-Berlin war. Der Stammtisch besteht aus ehemaligen West-Berlinern, einem Ami und einem Engländer. Es ist nett und gemütlich. Wir reden über Dinge, die es nicht mehr gibt.
Und über die Dinge, die es statt dessen gibt.
Hier finden Sie Impressionen aus Berlin:
Ach, dass ist ja gar nicht Berlin. Egal, diese Ost-Block Städte sehen doch sowieso alle gleich aus.
Berlin und ich passen nicht zusammen. Zum Glück!